Wasser marsch! So heißt es seit wenigen Tagen im fast fertiggestellten Multifunktionsspeicher der Stadtwerke Hennigsdorf auf dem Gelände des Heizwerkes Nord II. In den nächsten circa vier bis fünf Wochen – so lange braucht es – wird der 24 Meter hohe Stahlkoloss (Durchmesser 18 Meter) mit insgesamt fünf Millionen Litern Wasser befüllt. Und das rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Der Wärmespeicher fasst mehr Wasser, als regulär im Fernwärmenetz zirkuliert.
Stadtwerke-Geschäftsführer Christoph Schneider unterstreicht zur offiziellen Einweihung am 20. September 2024 die Bedeutung der 5-Millionen-Euro-Investition: „Als Wärmeversorger stehen auch wir vor der Aufgabe, unsere Fernwärme bis 2045 klimaneutral zu gestalten. Bis 2030 zu 30 Prozent, bis 2040 zu 80 Prozent.“ Hennigsdorf habe im Rahmen des Projektes „Wärmedrehscheibe“, die das Ziel verfolgt, die Fernwärmeerzeugung schrittweise auf eine klimaneutrale Basis zu stellen, bereits jetzt 60 Prozent erreicht. „Mit unserem Multifunktionswärmespeicher wollen wir auf 80 Prozent erneuerbare Energien im Netz kommen.“
Dass Hennigsdorf damit in Sachen nachhaltige Wärmeversorgung deutschlandweit die Nase ganz weit vorn hat, bestätigt Magdalena Berberich, stellvertretende Institutsleiterin des Steinbeis Forschungsinstitutes für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme aus Stuttgart, das die Stadtwerke bei der Umsetzung ihres zentralen Projektes „Wärmedrehscheibe“ wissenschaftlich begleitet. „Hier wird – erstmalig in Deutschland – eine Stadt zu 80 Prozent mit erneuerbarer Wärme versorgt. Und das bis Ende diesen Jahres! Damit ist Hennigsdorf deutlich weiter als andere.“
Er ist wichtiger Baustein und zentrales Element der „Wärmedrehscheibe“. Als riesige thermische Batterie ermöglicht er den Stadtwerken, überschüssige, regenerative Wärme einzulagern und dann zu nutzen, wenn sie gebraucht wird, sprich wenn die Nachfrage besonders hoch ist. Damit reduziert sich zugleich der Verbrauch fossiler Brennstoffe.
Wie das praktisch funktioniert, erklärt Stefan Dallorso, Technischer Leiter und Stadtwerkeprokurist, vor Ort am Multifunktionswärmespeicher:
„Sobald der Speicher mit Wasser befüllt ist, können wir ihn mit zusätzlicher Abwärme beladen, die wir aus dem Walzprozess des benachbarten Stahl- und Walzwerkes bekommen. Das heiße Abgas gibt dabei seine Energie im Wärmetauscher an das Heizwasser ab, sprich es erwärmt das Wasser.“ Dank der guten thermischen Eigenschaften von Wasser und der äußeren Dämmung des Speichers sind die Wärmeverluste über den Speicher gering. „Das gibt uns die Möglichkeit, die gespeicherte Wärme bedarfsgerecht zu nutzen. Und zwar zeitlich entkoppelt von ihrer Erzeugung.“
Multifunktionswärmespeicher sind in der Lage, die Wärme unterschiedlicher Quellen aufzunehmen und an die Verbraucher bedarfsgerecht zu verteilen. „Wir können hier zum Beispiel auch Wärme aus unserem Biomasseheizkraftwerk einlagern“, so Dallorso weiter. Gerade in der warmen Jahreszeit, wenn die Wärmeproduktion, die im Biomasseheizkraftwerk auf der Basis regenerativer Holzhackschnitzel erfolgt, den Bedarf übersteige, sei die Speicherung eine Alternative, um den Anteil fossil erzeugter Wärme zu reduzieren.
Den Wasserkreislauf mit eingebundenem Speicher erläutert Wissenschaftlerin Magdalena Berberich:
„Für einen effizienten Betrieb wird das Wasservolumen im Speicher nach Temperatur geschichtet: Oben herrscht mit maximal 98 °C die höchste Temperatur. Das entspricht der Temperatur, die im Fernwärmenetz benötigt wird. Ganz unten hat das Wasser die Rücklauftemperatur von 55 °C.“
Hydraulisch sei der Multifunktionswärmespeicher in zwei Kreise eingebunden: „Aus Richtung Stahlwerk wird die Abwärme mit Fernwärmewasser mit max. 98 °C oben in den Speicher geladen, während unten aus dem Speicher Wasser mit 55 °C zum Stahlwerk fließt, wieder aufgewärmt wird und in den Speicher geladen wird.“ Auf der anderen Seite stehe das Heizhaus Nord II. „Wenn Wärme im Wärmenetz gebraucht wird, wird oben aus dem Speicher heißes Wasser entnommen, in das Netz transportiert und gleichzeitig kommt an der unteren Leitung das Rücklaufwasser mit 55 °C in den Speicher zurück.“ Der Multifunktionswärmespeicher ermögliche eine zusätzliche Wärmenutzung im Fernwärmenetz von 13.400 MWh/a erneuerbarer Wärme.
Doch nicht nur Klima und Umwelt profitieren vom Multifunktionswärmespeicher, auch die Fernwärmekundinnen und -kunden der Stadtwerke. „Die erneuerbaren Energien unterstützen uns dabei, die Preise auch in unsicheren Zeiten stabil zu halten“, betont Geschäftsführer Christoph Schneider und verspricht: „Auch künftig werden wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel so einsetzen, das unsere Kundinnen und Kunden den Fortschritt in Form von bezahlbarer Wärme zu spüren bekommen. Das betrachten wir als Teil unserer kommunalen Verantwortung.“
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